Falsches Spiel mit Betriebsrat?

Enthält die Alstom-Geschäftsführung in Mannheim dem Konzernbetriebsrat wichtige Unterlagen zur bevorstehenden Übernahme durch den US-Konzern General Electric (GE) vor? Diese Frage soll in den kommenden Wochen eine Einigungsstelle klären, die Claudia Lohmann, Richterin am Arbeitsgericht Mannheim, gestern per Beschluss einsetzte. Zum Vorsitzenden bestellte sie den früheren Mannheimer Arbeitsrichter Lothar Jordan. Seine schwierige Aufgabe wird es sein, zwischen den tief zerstrittenen Parteien zu vermitteln.

Niedrige Hürden

Den Antrag auf Einsetzung der Einigungsstelle war vom Konzernbetriebsrat gekommen. Er will die deutsche Geschäftsführung des französischen Konzerns, die in Mannheim sitzt, zwingen, verschiedene Dokumente zur Integration von Alstom in den GE-Konzern vorzulegen. Angeblich gehört auch der Kaufvertrag dazu. Laut Mathias Helmke, Rechtsanwalt der Arbeitnehmervertretung, erhofft sich der Betriebsrat zum Beispiel Informationen darüber, wie sich die Übernahme auf den Standort Mannheim mit seinen rund 1800 Mitarbeitern auswirkt.

Thomas Meyerhans, Rechtsanwalt des Arbeitgebers hatte in der Verhandlung dagegen argumentiert, dass die Geschäftsführung in Mannheim keinen Zugang zu den Unterlagen habe. GE hatte vor rund einem Jahr die Übernahme des Alstom-Energiegeschäfts angekündigt. Der Verkauf ist allerdings noch nicht besiegelt, weil die EU-Wettbewerbsbehörden ihre Entscheidung erst für den August angekündigt hatten. Der Betriebsrat vermutet, dass trotz dieser noch offenen Fragen längst Entscheidungen zur Integration von Alstom getroffen wurden.

Die Einsetzung der Einigungsstelle kommt nun nicht überraschend, denn in der deutschen Rechtssprechung ist die Hürde dafür niedrig. Richterin Lohmann hätte eine Einberufung nach eigener Auskunft nur dann ablehnen können, wenn ihr offensichtlich kein mitbestimmungspflichtiger Tatbestand zugrundeliegen würde. Die Juristin betonte aber, dass ihr Beschluss keinerlei Hinweis darüber gebe, ob und in welchem Umfang der Betriebsrat Zugang zu den erwähnten Unterlagen haben darf. Das sei nun Angelegenheit der Einigungsstelle.

Ein Unternehmenssprecher sagte gestern, man nehme die Entscheidung des Mannheimer Arbeitsgerichts zur Kenntnis. Er wiederholte, dass Alstom Deutschland nicht in der Lage sei, dem Wunsch des Betriebsrats nach Einsicht in die Informationen nachzukommen. "Als Tochterunternehmen haben wir keinen Zugang zu Konzernunterlagen", sagte er.

Das vermag Helmke, Rechtsanwalt der Gegenseite, nicht zu glauben. "Die Geschäftsführung kann sich so nicht aus der Sache herausreden", ist der Jurist überzeugt. Es gebe dazu bereits eine entsprechende Rechtsprechung, auf die man sich stützen könne. "Wir rechnen uns daher gute Chancen auf Einsicht in die Unterlagen aus".

Offen blieb gestern die Frage, welche Rolle Kai Müller, stellvertretender Konzernbetriebsratschef, in der Sache spielen könnte. In der Verhandlung war gemutmaßt worden, dass er doch Zugang zu den gewünschten Informationen haben müsste, weil er gleichzeitig den europäischen Betriebsrat leitet. Helmke wies das aber gestern zurück. Müller könne die Unterlagen nicht einfach von einem Gremium in das andere mitnehmen, sagte er.

Einigungstelle

  • Eine Einigungsstelle ist ein betriebsverfassungsrechtliches Organ, um Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zu schlichten.
  • Sie wendet nicht nur das Gesetz an, sondern kann auch selbst Recht setzen, zum Beispiel in einem Sozialplan.
  • Die Einigungsstelle besteht aus einer gleichen Anzahl von Beisitzern, die vom Arbeitgeber und Betriebsrat bestellt werden, und einem unparteiischen Vorsitzenden, zumeist ein Arbeitsrichter im Ruhestand.
  • Zuletzt war eine Einigungsstelle bei Alstom, die einen Personalabbau regeln sollte, gescheitert.