Harte Fronten nach Rauswurf von Betriebsrat

Von unserem Redaktionsmitglied Matthias Kros

ARBEITSRECHT: Gütetermin im Streit bei nora ohne Ergebnis

Mannheim. Keine Bewegung im Streit um die fristlose Kündigung des Betriebsrats Helmut Schmidt beim Weinheimer Bodenbelaghersteller nora systems. Der gestrige Gütetermin vor dem Mannheimer Landgericht brachte trotz eindringlicher Mahnungen von Richter Wolfgang Gruber keine Annäherung. Mitte November wird es deshalb zu einer Anhörung kommen.

In dem Streitfall geht es um den Ausschluss von Schmidt aus dem nora-Betriebsrat sowie seine anschließende Entlassung, der der Betriebsrat zugestimmt hat. Mit beidem muss sich nun das Gericht beschäftigen. „Ein schwieriger Fall”, wie Gruber meint, der Ausgang sei „relativ offen”. Er ließ darüber hinaus durchblicken, dass vor allem Schmidts Ausschluss aus dem Betriebsrat im Fokus der Verhandlung stehen dürfte. „So etwas kommt in Deutschland höchst selten vor.” ...

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jungeWelt, 23. 7. 2012

Bei nora systems in Weinheim wurde ein langjähriger Betriebsrat fristlos gekündigt.
Ein Gespräch mit Wolfgang Alles

Interview: Daniel Behruzi

IG-Metall-Betriebsrat bei Alstom in Mannheim und aktiv im Komitee »Solidarität mit Helmut Schmitt«Wolfgang Alles ist IG-Metall-Betriebsrat bei Alstom in Mannheim und aktiv im Komitee »Solidarität mit Helmut Schmitt«

Bei dem Bodenbelaghersteller nora systems GmbH, ehemals Freudenberg Bausysteme KG, in Weinheim ist das langjährige Betriebsratsmitglied Helmut Schmitt zunächst aus dem Betriebsrat ausgeschlossen und dann fristlos gekündigt worden. Die Mehrheit der Beschäftigtenvertretung wirft ihm vor, die Betriebsratsarbeit »auf breiter Front boykottiert« und das Ansehen des Gremiums durch »gezielte Angriffe und Falschinformationen« beschädigt zu haben. Das Unternehmen wiederum begründet die Entlassung mit einer Störung des Betriebsfriedens. Was ist zu den Vorwürfen zu sagen?

Sie sind offenkundig falsch und haltlos. Helmut Schmitt steht für 31 Jahre aktive und konsequente Betriebsratsarbeit. Deshalb ist die Unterstellung des Boykotts der Betriebsratsarbeit absurd. Wenn das Ansehen des Gremiums in der Belegschaft und der Öffentlichkeit beschädigt worden ist, dann durch das unternehmensnahe Agieren der Betriebsratsmehrheit. Kritische Stellungnahmen zu derartigen Verhaltensweisen sind weder »gezielte Angriffe« noch »Falschinformationen«, sondern die ureigene Aufgabe jedes nicht korrupten Betriebsrats.

Wenn die Vorwürfe nicht zutreffen, was steckt dann hinter der Entlassung?

Alle uns zur Verfügung stehenden Informationen weisen darauf hin, daß es hier um die zielstrebig und von langer Hand vorbereitete Ausschaltung eines aktiven Betriebsratsmitglieds geht. Helmut Schmitt hat bei den letzten Betriebsratswahlen im Jahr 2010 mit Abstand die meisten Stimmen erhalten. Er hat im Jahr 2007, als die damalige Freudenberg Bausysteme KG an einen Konkurrenten verkauft werden sollte, entscheidend zum Widerstand der Belegschaft beigetragen. Mit Torblockaden und Arbeitsniederlegungen konnten die Pläne Freudenbergs seinerzeit zunächst verzögert werden. 2008 haben dann die Finanzinvestoren Capiton und L-EA, eine Tochter der dem Land Baden-Württemberg gehörenden L-Bank, die Firma übernommen. Seitdem firmiert der Bodenbelaghersteller als nora systems GmbH. Offensichtlich will die Geschäftsleitung in Absprache mit der Betriebsratsmehrheit jetzt verhindern, daß sich die Belegschaft erneut gegen einen Verkauf wehrt, der mit Arbeitsplatzabbau, Lohnkürzungen und anderen Nachteilen für die Beschäftigten verbunden sein könnte.

Die Unternehmensleitung erklärt, es bestehe kein Zusammenhang zwischen der Kündigung und dem geplanten Verkauf von Nora Systems an einen Mitbewerber.

Wir haben weder bei den rund 900 Kolleginnen und Kollegen der nora systems GmbH noch in der Öffentlichkeit jemanden gefunden, der diese Darstellung ernst nimmt.

Das Solidaritätskomitee hat in der vergangenen Woche mit einer Flugblattaktion vor dem Werkstor seine Sicht der Ereignisse dargestellt. Wie waren die Reaktionen der Belegschaft?

Bis auf die Betriebsratsmehrheit, die sich auf Medienanfrage von dem Solidaritätskomitee »distanziert« hat, konnten wir nur sehr positive Rückmeldungen verbuchen. Manche nora-Kollegen haben sogar Flugblätter zum Weiterverteilen in den Betrieb mitgenommen.

Wie geht es jetzt weiter? Was können Außenstehende tun, um Helmut Schmitt zu unterstützen?

Helmut weiß, daß er sich nicht nur auf die Unterstützung des Solidaritätskomitees verlassen kann, sondern auch auf Betriebsratsgremien und Gewerkschaftsgliederungen aus der Region um Weinheim und darüber hinaus. Protestschreiben an die Geschäftsleitung und die Betriebsratsmehrheit der nora systems GmbH (Höhner Weg 2–4, 69465 Weinheim) sind ebenso sinnvoll wie Solidaritätsbekundungen an Helmut Schmitt wünschenswert. Schließlich sollten möglichst viele Gewerkschafter Helmut bei den im August anstehenden ersten Arbeitsgerichtsterminen begleiten.

Kontakt Solidaritätskomitee: Industriepfarrer i.R. Martin Huhn, Ludwig-Richter-Str. 6, 68163 Mannheim, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!; hier auch Solidaritätskonto anfragen.
Weitere Infos: www.labournet.de/branchen/chemie/allg/index.html
Den Artikel finden Sie unter: www.jungewelt.de/2012/07-23/047.php

DGB greift nora-Betriebsräte scharf an

Von unserem Redaktionsmitglied Michael Roth

ARBEITNEHMER: Gewerkschaftsbund unterstützt Forderung nach Rücktritt der Arbeitnehmervertretung und Neuwahlen

WEINHEIM. Der Weinheimer Ortsverband des Deutschen Gewerkschaftsbundes unterstützt die Forderung nach einem Rücktritt des amtierenden Betriebsrats sowie einer Neuwahl der Arbeitnehmervertretung beim Bodenbelaghersteller nora systems. Die Rücktrittsforderung kommt nach Gewerkschaftsangaben aus der Belegschaft. Nora ist nach Freudenberg mit rund 900 Beschäftigten der zweitgrößte Arbeitgeber in Weinheim.

Hintergrund ist der Ausschluss und die Kündigung des langjährigen nora-Arbeitnehmervertreters Helmut Schmitt. Der nora-Betriebsrat hatte Schmitt nach diversen Streitigkeiten ausgeschlossen, kurz darauf erhielt Schmitt die Kündigung von der nora-Geschäftsleitung (wir berichteten).
Der DGB hat sich nun hinter Schmitt gestellt. "Für den Deutschen Gewerkschaftsbund ist die Lage offensichtlich." Während Helmut Schmitt bekanntermaßen stets aufseiten der Belegschaft stehe, fälle die Betriebsratsmehrheit Entscheidungen, die offenkundig mit der Vertretung von Arbeitnehmerinteressen nicht vereinbar seien, heißt es in der Mitteilung von gestern weiter. Nur durch Rücktritt des amtierenden Betriebsrats und Neuwahlen könne das Vertrauen zwischen Belegschaft und Betriebsrat wieder hergestellt werden.

Der nora-Betriebsratsvorsitzende war gestern telefonisch nicht erreichbar. Bei früherer Gelegenheit wies der Betriebsrat die Vorwürfe zurück. Schmitt habe Gesprächsangebot ausgeschlagen, eine destruktive Haltung gezeigt, versucht das Ansehen des Betriebsrats zu beschädigen, die Arbeit im Gremium boykottiert, Beschlüsse abgelehnt und Verhandlungen verschleppt. Auch von Indiskretionen war die Rede.

Die Weinheimer DGB-Vorsitzende Maria-Luise Weiß sieht einen Zusammenhang zwischen dem geplanten nora-Verkauf und der Trennung von Schmitt. Als nora (die frühere Freudenberg Bausysteme) vor fünf Jahren zum Verkauf stand, sei es unter anderem Schmitt zu verdanken gewesen, dass zwei Finanzinvestoren (Capiton, L-Bank) und kein Wettbewerber zum Zuge kamen. Nun steht nora wieder zum Verkauf. "Es sieht ganz danach aus, dass hier ein kritisches Betriebsratsmitglied kaltgestellt werden soll, um ungestört den Verkauf durchziehen zu können", wird Weiß zitiert. Der DGB fordere die Geschäftsleitung auf, die Kündigung zurückzuziehen.

Eine Firmensprecherin hatte vor kurzem gesagt, dass die Kündigung in keinem Zusammenhang mit dem geplanten Verkauf stehe.
Mannheimer Morgen, Dienstag, 24.07.2012

Aktion für gekündigten Betriebsrat

Von unserem Redaktionsmitglied Michael Roth

ARBEITNEHMER: Gewerkschafter protestieren bei nora systems

MANNHEIM/WEINHEIM. Mit einer Flugblattaktion haben Gewerkschafter von IG?BCE, IG Metall und verd.di gestern früh um kurz vor sechs vor dem Werkstor der nora systems in Weinheim gegen die fristlose Entlassung des Betriebsratsmitglieds Helmut Schmitt protestiert. Rund 1500 Flugblätter, eines liegt dieser Zeitung vor, wurden an Mitarbeiter von nora und benachbarten Tochtergesellschaften von Freudenberg verteilt. Nora (ehemals Freudenberg Bausysteme) wurde 2007 von Freudenberg an Finanzinvestoren verkauft. Nun steht nora, wie berichtet, wieder zum Verkauf.

Die Betriebsratsmehrheit von nora hatte den langährigen Arbeitnehmervertreter Schmitt auf einer außerordentlichen Sitzung am 29.?Juni, einem Freitag, aus dem Gremium ausgeschlossen. Er habe die Arbeit im Betriebsrat „auf breiter Front boykottiert” und versucht, durch „gezielte Angriffe und Falschinformationen” das Ansehen des Betriebsrats zu beschädigen. „Als Schmitt nach dem letzten Tarifabschluss unserem Betriebsratsvorsitzenden Bestechlichkeit vorgeworfen hat, mussten wir handeln”, heißt es in einer „BR-Info”.

Meiste Stimmen bei Wahl

Am Montag (2. Juli) nach dem Ausschluss aus dem Betriebsrat wurde dem 59 Jahre alten Schmitt von der nora-Geschäftsleitung fristlos gekündigt. Schmitt soll angeblich Unwahrheiten verbreitet und den Betriebsfrieden massiv gestört haben. Der Betriebsrat stimmte der Kündigung Schmitts - der übrigens bei der letzten Betriebsratswahl 2010 die meisten Stimmen erhielt - zu.

Die Gewerkschafter, die gestern protestierten, vermuten nun, dass Schmitt angesichts des geplanten Verkaufs von nora „zwischenzeitlich kaltgestellt” werden soll. Schmitt spielte 2008 beim damaligen nora-Verkauf eine große Rolle. Er und seine Kollegen verhinderten, so hieß es hinterher, dass nora an einen Wettbewerber verkauft wurde.

„Der geplante Verkaufsprozess steht in keinem Zusammenhang mit der Kündigung von Herrn Schmitt”, sagte eine nora-Sprecherin gestern auf Anfrage. Zum Kündigungsgrund gab sie mit Verweis auf ein anhängiges Arbeitsgerichtsverfahren keinen Kommentar ab.

Mannheimer Morgen, Mittwoch, 18.07.2012

An

Firma nora systems GmbH
Höhner Weg 2-4?
69465 Weinheim  

Per Fax 06201/883019

An die Geschäftsleitung!

Betriebsrat und IG Metall-Vertrauenskörperleitung von Alstom Mannheim protestieren gegen Ihr schäbiges und menschenverachtendes Vorgehen gegen das Betriebsratsmitglied Helmut Schmitt. Das Niveau ihres grundgesetzwidrigen Verhaltens wird durch die Instrumentalisierung der Mehrheit des Nora-„Betriebsrats” für Ihre Machenschaften unterstrichen.

Sie dokumentieren damit auch in der Öffentlichkeit, wie ernst Sie Ihre eigenen „Unternehmenswerte” nehmen: „Unser täglicher Umgang miteinander ist geprägt von gegenseitiger Achtung und Respekt, sowohl intern als auch gegenüber unseren externen Partnern und Kunden... Ob ökonomisch, ökologisch oder sozial, über allem steht ganzheitliches und in die Zukunft gerichtetes Denken. Verantwortung ist für uns daher nicht nur ein Wort, es ist unser Leitmotiv und umfasst... Pflichtbewusstsein gegenüber unseren Mitarbeitern” (www.nora.com).

Wir fordern Sie auf, die Kündigung unseres Kollegen Helmut Schmitt umgehend zurückzunehmen! Wir versichern Ihnen, dass wir Ihre Machenschaften weiter verfolgen und die Öffentlichkeit über die Vorgänge bei nora systems informieren werden.

BR Alstom Mannheim       IGM-Vertrauenskörperleitung