Alstom: Mannheimer Mitarbeiter zwischen Sorge und Fatalismus angesichts einer möglichen Übernahme durch Siemens oder GE
„Hier geht die Angst um”
Von M. Kros D. Kushnerovich und M. Tröster
Mannheim. "Hier geht die Angst um", sagt Alstom-Betriebsratschefin Elisabeth Möller. "Seit Tagen stehen bei uns im Betriebsrat die Telefone nicht mehr still. Jeder will wissen, wie es weitergeht." Doch Möller kann dann auch nicht viel beruhigen, denn sie teilt die Sorge der rund 1800 Mitarbeiter im Mannheimer Werk. "Egal, ob wir nun von General Electric (GE) oder Siemens übernommen werden, es gibt auf jeden Fall erhebliche Überschneidungen in den Geschäftsbereichen", sagt sie. Das werde sicherlich Auswirkungen auf die Beschäftigten haben, "massive sogar", befürchtet sie. "Schließlich hat Alstom schon heute Überkapazitäten." Eine Vorliebe für einen der beiden möglichen Käufer hat sie daher nicht: "Da gibt es unserer Sicht keinen Favoriten."
Beim Schichtwechsel an Tor 8 des Mannheimer Werkes sehen viele Mitarbeiter das offenbar ähnlich, mit Namen genannt werden will in unsicheren Zeiten wie diesen allerdings kaum jemand: "Letztendlich ist es sowieso egal, wer uns übernimmt, Hauptsache, wir behalten unsere Jobs", sagt beispielsweise ein Mittdreißiger, der in der Brennerfertigung im Turbinenwerk arbeitet. Die Stimmung innerhalb der Belegschaft sei "im Keller, unterirdisch", sagt er, als er den Deckel seines Kofferraums zuklappt.
Weil das Mannheimer Werk seit Jahren unter Sparmaßnahmen und Stellenabbau leidet, hat sich mittlerweile auch ein gewisser Fatalismus breitgemacht: "Siemens oder GE, das ist egal. In der Produktion werden sowieso Stellen abgebaut, ob von dem einen oder vom anderen", meint ein Mitarbeiter aus dem Bereich Quality Management und zuckt mit den Schultern. Wegen der bestehenden Überkapazitäten in der Turbinenproduktion hatte die Geschäftsführung kürzlich ein neues Sparprogramm angekündigt - in Mannheim befürchtet der Betriebsrat sogar das Aus für die gesamte Produktion. "Das Ganze kriselt doch schon seit Jahrzehnten und alle paar Jahre gibt's einen neuen Zirkus um unsere Zukunft," sagt der Mitarbeiter und tritt seinen Heimweg an.
„Wir nehmen den Kampf an”
Schicksalsergebenheit klingt auch bei einem Industriemechaniker an: "Angst? Nö", sagt der Mittvierziger, der seit über 25 Jahren am Standort arbeitet. Er sei zwar nicht gelassen, "aber ich habe hier so viel mitgemacht." Allerdings gebe es im Vergleich zu früheren Einschnitten einen wichtigen Unterschied: "Als wir noch zum BBC-Konzern gehörten, hatten wir am Standort über 10 000 Mitarbeiter. Wurde damals eine Abteilung dichtgemacht, kam man immer bei einer anderen unter." Mit gerade einmal 1800 Mitarbeitern sei die Situation heute aber eine andere. Er hofft auf eine Siemens-Übernahme: "Die machen keine guten Dampfturbinen. Die würden uns brauchen."
Einer, der seit über 30 Jahren am Standort arbeitet, sieht in einer Übernahme sogar eine Chance, wenn auch nicht unter den besten Vorzeichen: "Schlimmer kann die Stimmung ohnehin nicht mehr werden. Seit wir zu Alstom gehören, ist sie schlecht." Doch eines sei nun in der Tat neu: "Dieses Mal wird es Veränderungen geben." Selbst wenn der Standort dichtgemacht werde, habe das auch sein Gutes: "Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende."
In diese bedrückte Stimmung mischt sich aber auch etwas Optimismus - ausgerechnet die junge Generation glaubt, dass es trotz der scheinbar ewigen Krise irgendwie weitergeht. So sieht ein Azubi im Fach Zerspannungsmechanik seine Zukunft noch immer bei Alstom: "Wer den Standort übernimmt, kann ich nicht sagen. Aber bis jetzt ist es immer weitergegangen. Ich denke, ich werde hier noch einige Zeit arbeiten können."
Immerhin - so glaubt Betriebsratschefin Möller - dürfte die Unsicherheit für die Mitarbeiter bald ein Ende haben. "Heute oder spätestens morgen wird eine Entscheidung fallen", ist die Arbeitnehmervertreterin sicher. Wie auch immer die dann ausfällt - geschlagen geben will sich Möller auf keinen Fall. "Egal, wer oder was kommt: Wir werden alles versuchen, um den Standort Mannheim zu retten. Wir nehmen den Kampf an."
© Mannheimer Morgen, Dienstag, 29.04.2014