Aus für Fertigung in Mannheim befürchtet

Alstom-Betriebsrat: Produktion soll teilweise in die USA verlagert werden – Geschäftsleitung: Teil üblicher Planung

VON KLAUS HOFTER

MANNHEIM. Der französische Industriekonzern Alstom will Teile der Turbinen-Produktion vom Standort Mannheim ins Werk nach Chattanooga verlagern. Der Betriebsrat fürchtet einen Know-how-Transfer in die Vereinigten Staaten und auf lange Sicht das Aus für die Produktion in Mannheim. Zu Details wollte sich die Unternehmensleitung nicht äußern.

In Mannheim produziert Alstom Gas- und Dampf-Turbinen für KraftwerkeIn Mannheim produziert Alstom Gas- und Dampf-Turbinen für Kraftwerke

Alstom müsse nach wie vor Überkapazitäten abbauen, die durch die sinkende Nachfrage in einigen Geschäftsbereichen entstanden seien, teilte eine Unternehmenssprecherin auf Anfrage mit. Dass Alstom Aufträge zwischen den einzelnen Standorten, wie auch jetzt zwischen Mannheim und den USA aufteile, sei üblicher Teil der weltweiten Produktionsplanung. Zur Frage, ob Alstom plane, in Deutschland weitere Stellen im Kraftwerksbereich zu streichen oder gar ganze Standorte zu schließen, wollte sich das Unternehmen nicht äußern.

In einer Information an die Belegschaft beklagt der Betriebsrat, dass Mitarbeiter aus Mannheim Maschinen in der nahezu leerstehenden Fabrik in Chattanooga im US-Bundesstaat Tennessee fertigen und Mitarbeiter dort qualifizieren sollen. Alstom habe die Fabrik dort wegen eines erwarteten Auftragsbooms gebaut. Dies habe sich jedoch als Irrtum herausgestellt. Der Kapazitätsaufbau in den USA habe sich zu einem Millionengrab entwickelt. Die Arbeitnehmervertreter fürchten nun einen Know-how-Transfer und damit auf lange Sicht das Ende der Produktion in Mannheim, mit derzeit noch 450 Beschäftigten. Seit Jahren werden bei Alstom in Mannheim Stellen abgebaut und Bereiche verlagert. Erst 2011 strich der Konzern im Kraftwerksbereich weltweit 4000 Stellen, davon 200 in Mannheim. Um Geld für den Schuldenabbau sowie für Forschung und Entwicklung zu bekommen, hat Alstom- Chef Patrick Krohn ein 2 Milliarden Euro schweres Verkaufsprogramm verkündet. So hat der Konzern den Bereich Wärmetauscher an die Beteiligungsgesellschaft Triton verkauft. In Mannheim sind davon 130 Mitarbeiter betroffen.

Der Betriebsrat hat die Geschäftsleitung aufgefordert, ein Konzept vorzulegen, wie die Produktion in Mannheim ausgelastet und die Arbeitsplätze abgesichert werden können. Der Betriebsrat sei zur Mitarbeit bereit. Auf Anfrage kündigte Alstom an, dieses „ehrgeizige Konzept" in Kürze dem europäischen Betriebsrat vorzustellen. Bislang jedoch, so war zu erfahren, sei die Geschäftsleitung an Gesprächen mit den Arbeitnehmervertretern nicht interessiert gewesen.

KOMMENTAR

Sterben auf Raten?

VON KLAUS HOFTER

Auf die Flaute im Kraftwerksbereich reagiert der französische Konzern Alstom vor allem mit Stellenabbau. Eine Produktoffensive ist nicht in Sicht.

Nicht zuletzt die politisch gewollte Energiewende in Deutschland hat dazu geführt, dass Versorgungsunternehmen kaum in neue mit fossilen Brennstoffen betriebene Kraftwerke investieren. Getroffen hat dies eine Reihe von Technologiekonzernen. Stärker als die Konkurrenz leidet anscheinend der französische Industriekonzern Alstom darunter. Seit vielen Jahren schon versucht die Konzernspitze gegenzusteuern, hat aber – gerade im Kraftwerksbereich – als Reaktion bislang vor allem Stellen abgebaut. Von neuen Produkten für den Bereich erneuerbare Energien, die Arbeitnehmervertreter seit Jahren fordern, ist noch nichts zu hören.

Die jüngsten Pläne der Pariser Konzernleitung gehen noch einen Schritt weiter. Rund 2 Milliarden Euro will der verschuldete Konzern durch Verkäufe von Geschäftsbereichen oder einer Minderheitsbeteiligung am Kapital der Transportsparte einnehmen. So bringt die jüngst besiegelte Veräußerung des profitablen Wärmetauschergeschäfts, der auch den Alstom-Deutschland-Sitz Mannheim trifft, zwar rund 730 Millionen Euro an frischem Geld. Auf längere Sicht aber wird dadurch der Gewinn geschmälert.

Gleichzeitig versucht Alstom, weiter die Kapazitäten einzelner Standorte anzupassen und Aufträge umzuleiten. Die Pläne, Produktion aus Mannheim in die USA zu verlagern, ist ein weiterer herber Schlag. Die Befürchtung der Belegschaft, dass beim Turbinenbau in Mannheim, der in den vergangenen Jahren schon heftige Einschnitte verkraften musste, noch mehr Stellen abgebaut werden sollen, erhält dadurch weitere Nahrung.

Doch wie viele Stellen können dort noch gestrichen werden, ohne die gesamte Fertigung zu gefährden und damit der Produktion in Mannheim den letzten Stich zu verpassen? Die Unternehmensleitung von Alstom ist auf diese existenzielle Frage bislang eine Antwort schuldig geblieben.