Résistance europaweit

30.05.2011 / Kapital & Arbeit / Seite 9

Gewerkschaften bei Alstom protestieren mit internationalem Aktionstag gegen Arbeitsplatzvernichtung und Verlagerung. Eingriff in Tarifverträge abgelehnt

Von Herbert Wulff

Protest gegen drohende Entlassungen bei Alstom/Salzgitter (Demonstration am 23. März) Foto: dapd
Protest gegen drohende Entlassungen bei Alstom/ Salzgitter (Demonstration am 23. März) Foto: dapd
Die Beschäftigten des Bahn- und Kraftwerkbauers Alstom gehen erneut auf die Straße. An allen europäischen Standorten wollen Gewerkschafter am heutigen Montag gegen Pläne der französischen Konzernspitze protestieren, weltweit rund 6000 Arbeitsplätze zu vernichten. Bereits am Mittwoch hatten in Salzgitter mehr als 5500 Beschäftigte gegen die im dortigen Werk drohenden Stellenstreichungen und Lohnkürzungen demonstriert.

Das Infragestellen des Tarifvertrags für das Schienenfahrzeugwerk Salzgitter sei »ein Angriff auf alle Standorte, Beschäftigten und Interessenvertretungen in ganz Deutschland«, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung des Konzernbetriebsrats und der IG Metall. Das Unternehmen hatte kürzlich vorgeschlagen, den geplanten Stellenabbau hier von 700 auf 300 zu reduzieren und im Gegenzug weitreichende Zugeständnisse der verbleibenden 2400 Beschäftigten verlangt. So sollen diese auf die Tariferhöhungen der kommenden drei Jahre sowie das Weihnachts- und Urlaubsgeld verzichten. Zugleich soll die Wochenarbeitszeit ohne Lohnausgleich von 35 auf 40 Stunden angehoben werden. Nach Gewerkschaftsangaben würden sich die Einkommenskürzungen auf bis zu 45 Prozent summieren, womit der Konzern seine Kosten um jährlich 23 Millionen Euro reduzieren will.

»Dieser Angriff trifft alle Alstom-Beschäftigten – ob im Transport- oder Kraftwerkssektor. Deshalb wehren wir uns gemeinsam«, erklärte Wolfgang Alles, Betriebsrat am Standort Mannheim, wo Kraftwerksturbinen hergestellt werden. »Wir sind grundsätzlich nicht bereit, Zugeständnisse bei Löhnen, Arbeitszeiten oder sonstigen Tarifregelungen zu machen«, stellte der Gewerkschafter gegenüber jW klar. »Verzicht hat den Beschäftigten noch nie etwas gebracht, sondern nur den Wettlauf nach unten, um die miesesten Arbeitsbedingungen und die schlechteste Bezahlung, beschleunigt.« Diese Lehre der vergangenen Jahrzehnte habe die Alstom-Belegschaft verstanden.

In Mannheimer Werk wird heute zunächst eine kurze Betriebsversammlung stattfinden, bevor sich die Beschäftigten zu einem Demonstrationszug in die Innenstadt formieren. Der Standort ist ebenfalls direkt von Kürzungen betroffen. Hier sollen mehr als 400 der 2100 Jobs gestrichen werden. Insgesamt stehen in der Kraftwerkssparte des Konzerns 4000 Arbeitsplätze zur Disposition. Noch finden auf Standortebene allerdings keine offiziellen Verhandlungen über den Stellenabbau statt. Zunächst wird auf europäischer und nationaler Ebene geredet, erst dann über die Umsetzung der Restrukturierung in den Werken. So konnte ein gegenseitiges Ausspielen der Belegschaften bislang weitgehend verhindert werden. In einer Rahmenvereinbarung mit dem Europäischen Metallarbeiterbund (EMB) hat die Alstom-Spitze allgemein zugesagt, »alle Anstrengungen zu unternehmen, um Entlassungen soweit wie möglich zu vermeiden«. Notwendiger Jobabbau solle möglichst durch Versetzungen und freiwillige Ausscheidungsvereinbarungen umgesetzt werden. Grundsätzlich ausgeschlossen sind betriebsbedingte Kündigungen damit aber nicht.

Eben das fordert der EMB beim heutigen Aktionstag, an dem in sämtlichen Alstom-Fabriken Arbeitsniederlegungen und Demonstrationen stattfinden sollen. Zudem müsse das Management »eine Entwicklungsstrategie für alle Standorte und Beschäftigten vorlegen, statt die Kapazitäten zu reduzieren«. Bislang bestehe »keine Vision, in welche Richtung sich der Konzern entwickeln kann und welche neuen Produkte für welche Märkte entwickelt werden sollen«, kritisierte der Konzernbetriebsratsvorsitzende Udo Belz. Alles sei auf den Moment ausgerichtet, ohne jegliche intelligente Zukunftsplanung.

Dabei ist die konjunkturelle Situation insbesondere im Schienenfahrzeugbau sehr günstig. 2010 ist die Branche zum fünften Mal hintereinander gewachsen und hat Rekordumsätze erzielt. »Während der Markt brummt, will Alstom-Konzernchef Korn Kapazitäten in Salzgitter stillegen«, so Niedersachsens IG-Metall-Bezirksleiter Hartmut Meine. Das Management müsse »endlich seiner Rolle gerecht werden und Aufträge nach Salzgitter holen«. Einen ersten Erfolg in dieser Hinsicht hat der Standort vor wenigen Tagen verbucht. Die Hannoverschen Verkehrsbetriebe (Üstra) haben einen Auftrag zur Herstellung von Drehgestellen für Straßenbahnen in Wert von 21 Millionen Euro an Alstom vergeben. Das allein dürfte das Werk aber nicht retten. Denn im vergangenen Jahr hat der Konzern dort nach eigenen Angaben ein Defizit von rund 60 Millionen Euro eingefahren.

 

© Junge Welt 2011

Den Artikel finden Sie unter: http://www.jungewelt.de/2011/05-30/021.php

Bildschirmfoto_2011-06-12_um_17.10.34Großdemo bei Alstom

In Salzgitter steht nicht nur ein Traditionsunternehmen auf der Kippe, sondern auch die Zukunft einer Stadt. Ina Stelljes über klare Worte und wütende Arbeiter.

Der französische Bahntechnik-Hersteller Alstom plant, den Rohbau der Züge von Niedersachsen nach Polen zu verlagern und will deshalb in Salzgitter 700 Arbeitsplätze abbauen. Die Gewerkschaft befürchtet, dass unter Umständen sogar doppelt so viele Stellen gestrichen werden. Um dagegen zu protestieren, hatten die Betriebsräte und die Gewerkschaft IG Metall zu der Demonstration aufgerufen. Beschäftigte von VW, MAN, Bosch und der Salzgitter AG waren gekommen und zeigten ihre Solidarität mit den Mitarbeitern des Alstom-Werks. Mit dabei waren neben Ministerpräsident McAllister auch SPD-Chef Sigmar Gabriel, Grünen-Vorsitzender Stefan Wenzel, Wirtschaftsstaatssekretär Oliver Liersch (FDP), Oberbürgermeister Frank Klingebiel (CDU) und IG-Metall-Bezirkschef Hartmut Meine.

http://www.ndr.de/regional/niedersachsen/harz/alstom171.html

25. Mai 2011

ALSTOM Salzgitter

25. Mai 2011

ALSTOM Salzgitter

KonzernBetriebsRat Alstom_logo_text Deutschland AG + IG Metall

Salzgitter, 25. Mai 2011

Der ALSTOM Konzern plant einen weltweiten Personalabbau von ca. 6.000 Beschäf-tigte im Power- und Transportbereich. Die geplanten Maßnahmen beinhalten neben Bereichs- und Standortschließungen, auch Verlagerungen von wesentlichen Kernkompetenzen ins Ausland. Diese Verlagerungen bedeuten nach erster Analyse nicht nur den Abbau von Personal und von existenziellen Kernfunktionen und Fähigkeiten, sondern die Verabschiedung von ALSTOM aus dem Deutschen und zum Teil auch aus dem europäischen Markt.

Während die Konkurrenz immer mehr Marktanteile in Deutschland und Europa gewinnt und enorme Auftragseingänge im Power- und Transportsektor verzeichnet, ist der ALSTOM Konzern anscheinend nicht in der Lage, Fehlentscheidungen im Management, falsche Strategien am Markt und bei den Produkten zu korrigieren.

Konzern-Betriebsratsvorsitzender Udo Belz kritisierte, dass ALSTOM zur Zeit konzern-weit auf Personalabbau und Verlagerung setzt. „Die Konzernstrategie scheint daraus zu bestehen, dass es keine gibt. Es besteht keine Vision, in welche Richtung sich der Konzern entwickeln kann und welche neuen Produkte für welche Märkte entwickelt werden sollen. Alles scheint auf den Moment ausgerichtet ohne jegliche intelligente Zukunftsplanung. So kann ein Konzern nicht vernünftig geleitet werden.”

Hartmut Meine, IG Metall-Bezirksleiter für Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, forderte die Geschäftsführung auf, endlich ein zukunftweisendes Konzept für den ALSTOM-Standort in Salzgitter vorzulegen. „Während der Markt brummt, will der ALSTOM-Konzernchef Kron Kapazitäten in Salzgitter stilllegen. Ich fordere ihn auf, seiner Rolle endlich gerecht zu werden und Aufträge nach Salzgitter zu holen.”

Stattdessen sind riesige Einsparungen bei den Beschäftigten vorgesehen. Am Standort Salzgitter sollen bei den Mitarbeiter/innen in den nächsten 3 Jahren unter anderem über Aussetzung von Tariferhöhungen, Wegfall von Sonderzahlungen (Weihnachts- und Urlaubsgeld), Erhöhung der tariflichen Arbeitszeit auf 40 Stunden pro Woche ohne Lohnausgleich usw. jährlich 23 Millionen Euro eingespart werden.

Ein Angriff auf bestehende Tarifverträge und Regelungen an einem IG Metall - Standort, ist ein Angriff auf alle Standorte, Beschäftigten und Interessenvertretungen in ganz Deutschland.

Aus diesem Grund reisten hunderte Kolleginnen und Kollegen von den ALSTOM Standorten aus Berlin, Bexbach, Kassel, Mannheim, Neumark, Stendal + Stuttgart am 25.05.2011 nach Salzgitter. Gemeinsam mit den Beschäftigten des Transport-Standortes, Betrieben aus der Umgebung und Vertretern der IG Metall, nahmen sie an den DEMO-Zügen und anschließender Kundgebung teil, um öffentlich gegen die geplanten Restrukturierungs-, Verlagerungs- und Einsparmaßnahmen zu protestieren. Außerdem wurden die Proteste durch den Niedersächsischen Ministerpräsidenten David McAllister, SPD-Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel und dem Oberbürgermeister Frank Klingebiel sowie anderen örtlichen Politiker/innen unterstützt. Insgesamt demonstrierten über 5.500 Beschäftigte gegen die Kahlschlagpolitik von ALSTOM.

Um die Proteste in der Öffentlichkeit weiter zu verstärken, ruft der europäische Metallerbund „EMB” in Brüssel zu einer europaweiten Aktion der Gewerkschaften und Beschäftigten von ALSTOM auf. Diese findet am Montag, den 30. Mai 2011 statt.

KONZERNBETRIEBSRAT
ALSTOM Deutschland AG
IG Metall Vorstandsverwaltung
Frankfurt/Main