Europäischer Aktionstag: Großdemonstration gegen Stellenabbau in Mannheim / Gewerkschaften fordern
Umdenken

Alstom-Mitarbeiter kämpfen um Jobs

Von unserem Redaktionsmitglied Matthias Kros

Rund 1500 Menschen beteiligten sich gestern an den Protesten gegen den Stellenabbau bei Alstom Mannheim. BILD: RINDERSPACHER
Rund 1500 Menschen beteiligten sich gestern an den Protesten gegen den Stellenabbau bei Alstom Mannheim. BILD: RINDERSPACHER

MANNHEIM. Rund 1500 Mitarbeiter des Mannheimer Alstom-Werkes haben gestern in der Innenstadt gegen die Sparpläne des Konzerns protestiert. Die Demonstration mit anschließender Kundgebung war Teil eines europäischen Aktionstages bei Alstom, zu dem der Europäische Metallgewerkschaftsbund aufgerufen hatte.

Breite Unterstützung
Insgesamt haben sich daran mehrere tausend Mitarbeiter an 13 deutschen Standorten beteiligt und die Chefetage in Paris aufgefordert, die Konzernstrategie zu ändern und auf Stellenstreichungen zu verzichten. Der Konzern müsse endlich umdenken und „die riesigen Chancen auf dem künftigen Energieerzeugungsmarkt offensiv nutzen” hielten die Gewerkschaften in einer gemeinsamen Erklärung fest. Speziell für Mannheim fordert Betriebsratschef Udo Belz, unter anderem den Einstieg in das Geschäft mit erneuerbaren Energien, so zum Beispiel den Bau von solarthermischen Kraftwerken oder die Anlagenplanung für Windparks. Auch neue Speichertechnologien solle das Werk Mannheim künftig entwickeln, wünscht sich der Arbeitnehmervertreter.

Unterstützt hatten die gestrige Aktion auch die Betriebsräte verschiedener anderer Mannheimer Metallbetriebe, zum Beispiel John Deere, Bombardier und das Großkraftwerk (GKM). Der französische Konzern will in seiner Energiesparte bekanntlich weltweit 4000 Stellen abbauen, davon rund 470 in Mannheim. Betriebsrat und IG Metall protestieren schon seit langem dagegen und wollen einen Kündigungsschutz bis 2015 erreichen.

Vor der Demonstration hatte Andreas Wittke, Länderpräsident Alstom Deutschland, die Sparpläne des Konzerns während einer Betriebsversammlung verteidigt. Rund 300 Stellen seien in Mannheim bereits sozialverträglich abgebaut worden, ein Großteil der Betroffenen habe in den Bereich Retrofit wechseln können, für den das Werk seit April weltweit zuständig ist. Dabei geht es – grob gesagt – darum, mit verschiedenen Maßnahmen alten Kohlekraftwerken eine Verjüngungskur zu verpassen, zum Beispiel indem man den Wirkungsgrad erhöht.

Schon zuvor hatte das Alstom- Management allerdings mehrfach betont, dass der Stellenabbau damit keineswegs abgeschlossen sei. Rechnerisch müssen bis März 2012 noch 170 weitere Stellen abgebaut werden. Auch Kündigungen behält sich die Geschäftsführung vor. Hier ist aber zu berücksichtigen, dass Alstom auch in seinem Bahntechnik- Werk Salzgitter umfangreich Jobs streichen will und ein etwaiger Kündigungsschutz für alle deutschen Werke gelten würde.

Kommentar: 

Widerstand lohnt sich

Matthias Kros über die andauernden Proteste bei Alstom

Es gibt in der Region wohl kein zweites Unternehmen, dessen Mitarbeiter so leidenschaftlich um ihre Arbeitsplätze kämpfen wie die von Alstom. Das war bei der gestrigen Aktion in Mannheim wieder einmal deutlich zu spüren. Ebenso lautstark wie entschlossen machten sie ihrem Ärger Luft.

Allem voran seien für dieses Phänomen zwei Gründe genannt: Zum einen hat sich in der Vergangenheit schon mehrfach gezeigt, dass sich der Widerstand gegen die Alstom-Firmenpolitik lohnt. Nicht zuletzt der harten Haltung des Betriebsrates ist es schließlich zu verdanken, dass es den Standort Mannheim mit seinen über 2000 Mitarbeitern überhaupt noch gibt.

Zum anderen erscheinen die Beschlüsse der Konzernzentrale in Paris nicht immer nachvollziehbar oder sie werden zumindest schlecht kommuniziert. Das erzeugt zusätzlichen Frust und bringt manchen Mitarbeiter zurecht auf die Palme. Ehrliche Wertschätzung sieht jedenfalls anders aus.

Dem Alstom-Management gelingt es viel zu selten, neben den sicher notwendigen Sparmaßnahmen auch eine Zukunftsvision für die einzelnen Standorte aufzuzeigen. Der Energiemarkt ist im Umbruch, da kann es eigentlich nicht sein, dass Alstom darin so wenig Chancen ausmachen kann.

Mannheimer Morgen
31. Mai 2011