Warum die Blockade? Die Arbeiter wollen erreichen, dass die Rohlinge der Bauteile in Mannheim weiterverarbeitet werden dürfen (wir berichteten). Sie fürchten, dass im Rahmen eines angekündigten Sparplanes bald die gesamte Turbinen-Produktion in die USA verlagert wird und fast 500 Mitarbeiter aus der Fertigung ihren Job verlieren - und irgendwann der gesamte Standort gestrichen wird. „Wehret den Anfängen”, sagt Betriebsrat Lang. Die Turbinenbauteile, die eigentlich im US-amerikanischen Alstom-Werk in Chattanooga montiert werden sollen, bleiben daher erst einmal in Mannheim. Auch über die Osterfeiertage: „Wir haben einen Schichtplan eingeteilt”, sagt Lang. „Wir werden das hier weiterlaufen lassen, bis sich die Geschäftsleitung mit dem Betriebsrat an den Tisch setzt.”

Ihre „Informationsveranstaltung” setzen die Arbeiter auch dann fort, als sich am Vormittag eine Delegation der Geschäftsführung ein Bild von der Lage macht. Zunächst droht ihnen Detlef Stramma, der Alstom-Personalchef für Deutschland, arbeitsrechtliche Konsequenzen an. Als Stramma sich schon entfernt, greift IG-Metall-Sekretär Thomas Hahl zum Megafon und fragt die Arbeiter lautstark: „Wer von euch ist hier, um sich vom Betriebsrat informieren zu lassen?” Alle heben die Hand. „Und wer von euch ist nicht hier, um sich vom Betriebsrat informieren zu lassen?” Alle Hände bleiben unten. „Also haben wir hier eine Informationsveranstaltung des Betriebsrates.” Da bleibt Stramma nur ein Schulterzucken.

Laut einer Alstom-Sprecherin prüfe man derzeit, ob es sich bei der Blockade rein rechtlich um einen „wilden Streik” handelt, also eine nicht von der Gewerkschaft organisierte Arbeitsniederlegung, oder doch um eine „Informationsveranstaltung”. Liegt Ersteres vor, bekommen die Arbeiter wohl Probleme. Eine Nachricht, wo die brisanten Teile verarbeitet werden dürfen, hat die Delegation beim Besuch an Tor 8 nicht im Gepäck. Auch nicht zur Zukunft des Werkes. Wie eine Alstom-Sprecherin dieser Zeitung sagte, werde dem europäischen Betriebsrat „in Kürze ein ehrgeiziges Konzept” vorgestellt.

„Vollstes Verständnis für Sorge”

„Ich habe vollstes Verständnis, dass jeder besorgt ist um seinen Arbeitsplatz”, sagte Personalchef Stramma. „Umgekehrt sind wir ein Unternehmen, das am Ende des Tages Geld verdienen muss.” Daher müsse man die Lieferzeiten einhalten. Zudem seien die Maschinen, auf denen die Bauteile verarbeitet werden sollten, derzeit voll ausgelastet. Um die kalkulierten Kosten nicht zu überschreiten, müsse man extern fertigen. Betriebsrat Lang widerspricht: „Das stimmt nicht. Die Kapazitäten sind da und waren einkalkuliert.”

Alstom

In Mannheim beschäftigen die Franzosen etwa 1800 Mitarbeiter, deutschlandweit knapp 9000. Mannheim ist Teil der Kraftwerkssparte von Alstom. Zweites Standbein ist die Bahnsparte mit dem Hochgeschwindigkeitszug TGV.

Wegen schwacher Geschäfte hat Alstom ein Sparprogramm aufgelegt. Dabei sollen bis 2016 weltweit 1300 Arbeitsplätze abgebaut werden. Damals hieß es, in Mannheim seien keine Jobs gefährdet. mk

Zum Thema: Opfer der Energiewende

Von Michael Roth über die Aktion der Mitarbeiter bei Alstom

Wenn die Arbeiter in der Turbinenfabrik von Alstom in Mannheim um ihre Jobs bangen, dann hat das nicht nur mit der (mäßig erfolgreichen) Strategie und der stets an heimischen Interessen ausgerichteten Standortpolitik des französischen Kraftwerksbauers zu tun. Sondern auch mit der deutschen Energiewende. Die hat dafür gesorgt, dass Wind- und Solarstrom Vorrang vor Strom aus Kohle- und Gaskraftwerken haben. Letztere kommen hierzulande auf zu wenige Betriebsstunden und rechnen sich nicht. Die Folge: Es werden kaum neue Kraftwerke mehr gebaut und bei Alstom in Mannheim fehlen die Aufträge.

Dass Alstom seine Kapazitäten für die Turbinenproduktion in die USA verlagern will, ist nachvollziehbar. Dort gibt es auch eine Energiewende. Hin zu Erdgas, das mittels Fracking günstig gefördert wird. Neue Gaskraftwerke entstehen, und Alstom kann die Turbinen liefern. Die könnten auch aus Mannheim kommen, aber die amerikanische Politik wird schon darauf achten, dass genügend Wertschöpfung aus dem eigenen Land kommt. Und schließlich ist mit General Electric ein großer Wettbewerber präsent, der mit nationaler Produktion punkten kann.

So gesehen sollte sich das Alstom-Management schleunigst überlegen, wie die Zukunft des Mannheimer Standorts aussehen soll. Aber auch hier muss man Zweifel haben. Die Franzosen dürften in erster Linie an ihr Stammwerk in Belfort denken - zuerst muss wohl Mannheim Opfer bringen. Dagegen protestieren die Mitarbeiter zurecht.

© Mannheimer Morgen, Samstag, 19. 4. 2014